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Intelligente Automatisierung: Wird Sie uns die Arbeit wegnehmen oder abnehmen? (Teil 2 von 2)

Roland Alston, Appian
January 6, 2020

Morgan Frank, Forscher am MITMediaLab und Co-Autor des Buchs ÑSmall Cities Face Greater Impact from Automation"

(Dies ist der letzte Teil eines zweiteiligen Gespr‰chs mit dem MITMediaLab Forscher Morgan Frank(@mrfrank5790) ¸ber die Herausforderung, Automatisierung so umzusetzen, dass niemand zur¸ckbleibt. Teil 1 kˆnnen Sie hier lesen.)

Oft wird ¸ber Automatisierung im Zusammenhang mit einem Streben nach hˆherer Effizienz gesprochen. Die zunehmende Automatisierung ist jedoch auch ein Trend, der sich so stark wie nie zuvor auf Arbeitskr‰fte und kleinere Communities auswirkt. Das bedeutet, dass die erfolgreichsten Unternehmen den grˆflten Nutzen aus der Automatisierung ziehen werden, indem sie die Zusammenarbeit von Menschen untereinander sowie mit Maschinen vereinfachen.

In der letzten Folge erl‰uterte Frank einige der wichtigsten Erkenntnisse seiner bahnbrechenden Studie ¸ber die Auswirkungen der Automatisierung (ÑSmall Cities Face Greater Impact from Automation"). Er sprach ¸ber die Notwendigkeit, unsere Arbeitskr‰fte widerstandsf‰higer gegen disruptive Trends zu machen, und dar¸ber, wie wichtig es ist, gef‰hrdete Mitarbeiter umzuschulen. Auflerdem thematisierte er die sich kontinuierlich ver‰ndernden Aufgaben und F‰higkeiten und wie dieser Aspekt tendenziell als Bedrohung von Arbeitspl‰tzen und Lˆhnen auf den Arbeitsm‰rkten kleinerer St‰dte wahrgenommen wird.

Appian: Kˆnnen Sie uns einige Beispiele aus der Praxis f¸r solche Ver‰nderungen nennen?

Frank: Es gibt einen Wirtschaftswissenschaftler an der BostonUniversity namens James Bessen, der eine wichtige Beobachtung ¸ber das Verh‰ltnis von Bankangestellten und Geldautomaten gemacht hat.Man kˆnnte annehmen, dass die landesweite Besch‰ftigungsrate f¸r Bankangestellte mit der Zunahme von Geldautomaten sinkt.Aber das Gegenteil ist der Fall. Bessen hat gezeigt, dass die Gesamtbesch‰ftigungsrate f¸r Bankangestellte proportional zur verst‰rkten Nutzung von Geldautomaten steigt.

Das hat viele Leute ¸berrascht. Es gibt zwei Gr¸nde f¸r dieses Ph‰nomen. Zuerst einmal ist esñ dank der Effizienz von Geldautomatenñ billiger f¸r Banken, neue Filialen zu erˆffnen.Es wurden zwar weniger Bankangestellte f¸r jede Filiale eingestellt, aber insgesamt hat die Besch‰ftigungsrate im ganzen Land zugenommen.Der andere Faktor ist, dass sich die Aufgaben von Bankangestellten grundlegend ge‰ndert haben.Fr¸her war das meistens B¸ro- und Routinearbeit. Geld z‰hlen. Wechselgeld herausgeben.Aber Geldautomaten haben ihnen diese Aufgaben abgenommen. Sie sind heute also eher Kundenservice-Mitarbeiter und Verk‰ufer von Bankprodukten.

Es ist Zeit, gewohnte Arbeitsweisen zu ¸berdenken

Appian: Das heiflt also, Bankangestellte verrichten heute weniger B¸rot‰tigkeiten und stattdessen hˆherwertige Aufgaben, die einen Mehrwert schaffen.

Frank: Ja. Und diese Aufgaben erfordern mehr soziale Kompetenzen. Das ist die Art Neudefinierung von Arbeitspl‰tzen, die ich vorhin meinte.Und wir versuchen, diesen Sachverhalt immer besser zu verstehen und modellhaft darzustellen.

Appian: Es klingt so, als w¸rden sich die Auswirkungen der Automatisierung weniger auf die Verdr‰ngung von Arbeitspl‰tzen beziehen und eher auf die Herausforderungen, die mit dem ‹berdenken gewohnter Arbeitsweisen einhergehen.

Frank: Richtig.

ÑNeben den neuen Jobs, die durch neue Technologien entstehen, werden auch viele Berufe neu definiert. Hier wirkt sich die Automatisierung am st‰rksten (auf eine Belegschaft) aus."

Appian: Doch was kˆnnen traditionelle Unternehmen machen, wenn es darum geht, ihre Belegschaften f¸r die intelligente Automatisierung zu wappnen?Was kˆnnen langj‰hrige Unternehmen tun, um sich auf die intelligenten Technologien der Zukunft vorzubereiten?

Frank: Man muss verstehen, f¸r welche Arbeitskr‰fte diese aufstrebenden Technologien wirklich eine Konkurrenz darstellen.Nehmen wir mal an, Sie betreiben mehrere Fabriken. Und mit einem neuen Roboterarm kˆnnen Sie Arbeitspl‰tze f¸r eine bestimme Aufgabe am Flieflband abschaffen.Es stellt sich dann die Frage, was mit den Mitarbeitern passieren soll, die Sie nicht mehr brauchen?

Appian: Beim traditionellen Modell w¸rde man sie entlassen.

Frank: Ja. Oder man besch‰ftigt sie an einem Standort weiter und weist ihnen Aufgaben zu, f¸r die man weiterhin menschliche Arbeitskr‰fte braucht.Aber daf¸r muss man die F‰higkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter kennen und wissen, welche davon durch Technologie ersetzt werden.Und man muss sich dar¸ber im Klaren sein, welche F‰higkeiten weiterhin gefragt sind. Und wie man die F‰higkeiten der Mitarbeiter mit der erwarteten Nachfrage in Einklang bringen kann.

Appian: Gibt es ein Geheimnis, wie man das schaffen kann? Was ist der beste Ansatz?

Frank: Im Moment gibt es keine unfehlbare Strategie. Aber die Forschungsgemeinschaft arbeitet gerade daran.Anhand der Gesamtentwicklung kann ich ein paar allgemeine Empfehlungen aussprechen.Wenn Sie es beispielsweise schaffen, Ihren Mitarbeitern die Arbeit mit Computern beizubringen und sie kognitive sowie soziale Aufgaben erledigen, dann kˆnnen Technologien, die jetzt gerade im Kommen sind, sie bei ihrer Arbeit unterst¸tzen.Langfristig sind soziale Kompetenzen ein besonderes Thema, an dem die Forschungsgemeinschaft sehr interessiert ist.Offensichtlich sind soziale Kompetenzen n‰mlich nicht durch Technologie bedroht.

ÑIn manchen Bereichen ist es schwieriger, menschliche Interaktion durch Technologie zu ersetzen. Ich denke zum Beispiel nicht, dass der Kundenservice irgendwann demn‰chst komplett automatisiert wird."

Und auch bei Gesch‰ftsabschl¸ssen kommt es immer noch auf ein Netzwerk und soziales Kapital an, was schlichtweg nicht automatisiert werden kann.

Appian: Welche Dinge haben Sie bei der Forschung zu Automatisierung und deren Auswirkung auf St‰dte ¸berrascht?

Frank: Gerade kleine St‰dte, in denen es Universit‰ten oder sehr viele Regierungsbehˆrden gibt, sind erstaunlich widerstandsf‰hig, was die zunehmende Automatisierung betrifft.

Appian: Kommen Ihnen da bestimmte St‰dte in den Sinn?

Frank:Ja, Burlington in Vermont und Boulder in Colorado. Das sind relativ kleine Groflst‰dte.Aber sie haben in Bezug auf wichtige ˆkonomische Kenngrˆflen einen Sonderstatus, zum Beispiel, was das Pro-Kopf-BIP oder den Gesundheitszustand und das Wohlbefinden angeht.Universit‰ten fˆrdern die lokale Wirtschaft und kˆnnen die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskr‰ften decken, also Arbeitskr‰fte, die innovative Technologien nutzen kˆnnen, anstatt mit ihnen zu konkurrieren.In Boulder l‰sst sich beobachten, wie sie ein ÑLatte"-St‰dtchen in eine Groflstadt verwandelt.

Ich sage das, weil sich verst‰rkt Unternehmen aus der Technologiebranche in Colorado niederlassen.Google erˆffnet hier beispielsweise ein grofles B¸ro. Facebook und Twitter sind ebenfalls vertreten. Und ich glaube, das wird einige ƒnderungen f¸r Boulder zur Folge haben.

Die beste Technologie funktioniert wie Magie

Appian: Betrachtet man die neuen Technologien, befinden wir uns immer noch in den fr¸hen Phasen der digitalen Transformation.

Aber was erwarten Sie, wie die Beziehung zwischen Menschen und Technologie in Zukunft aussehen wird?

Frank:

ÑIch glaube, es wird in Zukunft immer schwerer zu erkennen sein, dass man mit Technologie arbeitet. Wir im MediaLab sind zum Beispiel der Meinung, dass die Arbeit mit richtig guter Technologie mit Zauberei oder Magie vergleichbar ist. Solch eine Benutzeroberfl‰che w¸nschen wir uns. Wenn Sie so etwas machen, haben Sie es geschafft."

Appian: Moderne Smartphones sind Beispiele f¸r diese Art von Magie.

Frank: Ja. Sie m¸ssen nur ein kleines Ger‰t aus Ihrer Hosentasche holen und finden praktisch einfach so jede Information, die Sie suchenñ aus dem Nichts. Und das ist schon irgendwie magisch.

K¸nstliche Intelligenz ist weit mehr als das Abrufen von Daten

Appian: Welche Erwartungen haben Sie in Bezug auf k¸nstliche Intelligenz (KI)?

Frank: Ich glaube, es werden immer mehr Lˆsungen f¸r k¸nstliche Intelligenz und Algorithmen dazukommen, die zu mehr in der Lage sind, als nur Informationen abzurufen.Sie werden immer mehr Einzug in unseren Alltag halten. Und man wird es nicht mal unbedingt merken, da die Ver‰nderung schleichend erfolgt.Im MediaLab arbeiten Psychologen mit Kindern, um zu untersuchen, wie sie mit Dingen wie AmazonEcho oder anderen digitalen Assistenten interagieren.Wir schauen uns an, wie sich diese Interaktionen auf ihre sozialen Kompetenzen auswirken und welche Erwartungen sie danach haben, wenn sie mit anderen Ñd¸mmeren" Technologien interagieren.

Appian: Und was lernen Sie aus diesen Beobachtungen?

Frank: Wir kˆnnen feststellen, dass Kinder bereit sind, mit digitalen Assistenten zu interagieren. Aber sie sind ein bisschen verwirrt, da sie nicht einsch‰tzen kˆnnen, ob die Technologie eine Person ist.

ÑAls Erwachsene erleben wir immer h‰ufiger Situationen, in denen Daten von uns unwissentlich verwendet werden, damit wir von den Annehmlichkeiten profitieren kˆnnen, die wir erwarten. AmazonEcho ist ein gutes Beispiel daf¸r. Es kann Radiosendungen abspielen, die Ihnen gefallen. Es kann Staumeldungen oder den Wetterbericht ausgeben. Und das alles geschieht ganz automatisch."

Regulatoren hinter der digitalen Kurve

Appian: Wie gehen Sie mit Kritikern um, die Angst vor k¸nstlicher Intelligenz haben und f¸rchten, dass diese Technologien missbraucht werden kˆnnten?

Frank: Eine Medaille hat immer zwei Seiten. Ich kann das nicht wissenschaftlich beweisen. Aber ich glaube, FakeNews werden schlimmer werden. Und wir als Gesellschaft m¸ssen eine Lˆsung f¸r dieses Problem finden.In der Regel entwickeln Wissenschaftler eine neue Technologie und ¸berlassen es den Regulierungsbehˆrden, zu bestimmen, wie die Technologie genutzt wird. Das ist richtig und funktionierte bisher auch ganz gut.Aber ich glaube nicht, dass die Regulierungsbehˆrden mit den neuen Technologien mithalten kˆnnen. Und sie m¸ssen die L¸cke schlieflen.

Appian: Kˆnnen Sie mir mit Blick auf 2018 und die darauffolgenden Jahre sagen, welche drei Dinge Ihnen in Bezug auf digitale Trends zuerst in den Sinn kommen?

Frank: Ich denke, dass die berufliche Polarisation in den kommenden Jahren zunehmen wird. Das wird zum Teil daran liegen, dass man zwischen Technologien, die eine Konkurrenz darstellen, und Technologien, die einen unterst¸tzen, unterscheiden muss.Viele ÷konomen w¸rden mir wahrscheinlich zustimmen, dass die Auswirkungen von Technologien immer schneller zunehmen.Aus Perspektive der Bildungspolitik ist das ein ernsthaftes Problem, denn die Politik ist sogar noch tr‰ger und langsamer als die Wissenschaft.

Deshalb denke ich, dass angesichts der sich schnell ‰ndernden Technologien enorme Verbesserungen in der Bildungspolitik notwendig sind.