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Was alle Großbanken über digitale Transformation wissen müssen

Roland Alston, Appian
April 9, 2018

<figure class="wp-caption alignleft" id="attachment_32744" style="width: 186px"><img alt="Chris Skinner, Fintech-Kommentator und Bestseller-Autor" class="wp-image-32744" height="280" src="https://assets.appian.com/uploads/assets/sites/4/2018/04/Chris-Skinner-683x1024.png" width="186"/><figcaption>Chris Skinner, FinTech-Kommentator und Bestseller-Autor von Digital Bank, ValueWeb und Digital Human.</figcaption></figure>

Chris Skinner ist ein weltweit anerkannter Experte für die Finanzmärkte und für Finanztechnologien, die er in seinem Blog <a href="https://thefinanser.com/" rel="noopener" target="_blank">theFinanser.com</a> kommentiert.

Er ist der Verfasser der Bestseller <a href="http://www.amazon.com/Digital-Bank-Strategies-launch-digital/dp/9814516465/ref=tmm_hrd_swatch_0?_encoding=UTF8&amp;qid=&amp;sr=" rel="noopener" target="_blank">Digital Bank</a>, <a href="http://www.amazon.com/ValueWeb-Chris-Skinner/dp/9814677175/ref=sr_1_1?s=books&amp;ie=UTF8&amp;qid=1453905389&amp;sr=1-1&amp;keywords=valueweb" rel="noopener" target="_blank">ValueWeb</a> und dessen kürzlich erschienenen Fortsetzung <a href="https://www.amazon.com/dp/9814794376?tag=amz-mkt-chr-uk-21&amp;ascsubtag=1ba00-01000-a0049-win10-other-nomod-uk000-pcomp-feature-scomp-wm-4-wl-ddt0_sce0_prc0_aapi0&amp;ref=bit_scomp_sav0" rel="noopener" target="_blank">Digital Human</a>.

Bei BBC News, Sky News, CNBC und Bloomberg ist Skinner zudem regelmäßig als Kommentator für das Bankwesen zu sehen. Wall Street Journal’s Financial News und Thomson Reuters zufolge zählt Chris Skinner zu den Top 40 der einflussreichsten Personen im Bereich der Finanztechnologie. Er wird demnach weithin als eine der wichtigsten Stimmen zum Thema FinTech angesehen.

In dieser Ausgabe von Digital Trailblazer gibt Skinner uns einen glasklaren Ausblick auf das bevorstehende Ende des Bankings, wie wir es heute kennen. Zudem erklärt er, warum Banken seiner Meinung nach noch nicht für das Zeitalter der <a href="https://www.appian.com/digital-transformation/">digitalen Transformation</a> bereit sind.

Er betont, dass Banken in ihrem Denken flexibler werden müssen, da eine einfache Nachbildung ihrer alten Geschäftsmodelle im Rahmen der digitalen Transformation ein großer Fehler sei.

Digitale Anführer erfinden das Finanzwesen mithilfe von digitalen Technologien neu und setzen ihren Fokus dabei auf die Optimierung der Customer Journey und des Kundenerlebnisses. Skinner zufolge haben all diese digitalen Anführer eines gemeinsam: das Ziel, Technologie wirksam einzusetzen, um der Allgemeinheit den Zugriff auf Geld zu erleichtern.

Laut ihm werden genau diese Anführer die FinTech-Revolution vorantreiben, da sie nicht einfach nur ein schnelleres System errichten wollen. Ihre Ziele gehen über die Produktion von Bankprodukten und deren Optimierung und kostengünstige Bereitstellung hinaus.

„Wahre digitale Anführer haben die Möglichkeiten der Technologie vor Augen und arbeiten anhand dieser an einer Lösung, die genau die Menschen erreicht, die am dringendsten auf sie angewiesen sind“, erklärt Skinner. „<span lang="EN-US">Aus diesem Grund gehe ich auch fest davon aus, dass die FinTech-Revolution nicht etwa von amerikanischen oder europäischen FinTech-Unternehmen, sondern von Start-Ups aus Südamerika, Asien oder Afrika ausgehen wird.“</span>

In diesem Interview erwarten Sie verblüffende Anekdoten, gründlich recherchierte Fakten und eine umfassende Einschätzung folgender Themen:

<ul>

<li>Große Veränderungen, die den traditionellen Handel tiefgreifend umstrukturieren werden.</li>

<li>Revolutionäre FinTech-Trends und deren Implikationen für Führungskräfte auf Vorstandsebene.</li>

<li>Radikale Strategien, die erforderlich sind, um mit radikalen Veränderungen Schritt zu halten.</li>

</ul>

Dieses Interview ist ein wahrer Weckruf für jene Führungskräfte, die im Zeitalter der digitalen Transformation vorne mit dabei sein möchten.

Viel Freude beim Lesen.

<h2>Eine Ära massiver Transformationen</h2>

<strong>Appian:</strong> Guten Morgen, Chris. Und willkommen bei Digital Trailblazers. Zunächst möchten wir Ihnen natürlich herzlich zur Veröffentlichung Ihres neuen Buches „Digital Human“ gratulieren.

<strong>Skinner:</strong> Vielen Dank. Den Entwurf des Buches habe ich letzten Sommer angefertigt, und jetzt im Frühling wird es veröffentlicht. Gegenstand ist die uns bevorstehende digitale Revolution und inwiefern diese mithilfe der Technologie schneller und kostengünstiger vonstatten gehen wird. Diese Revolution verändert die Art und Weise, wie wir kommunizieren, handeln und Geschäfte abschließen.

Natürlich transformiert es somit auch die Art und Weise, wie wir Geschäfte und Beziehungen führen.

<blockquote>„Ich bin davon überzeugt, dass die Geschichte der Menschheit an einem Punkt massiver Transformationen angelangt ist. Die Schätzung von McKinsey, nach der Schwellenländer bis 2025 mit neuer Produktivität 3,7 Billionen pro Jahr erwirtschaften werden, veranschaulicht dies beeindruckend.“</blockquote>

<strong>Appian:</strong> 3,7 Billionen Dollar – das ist eine unglaubliche Summe. Wo wir schon von Transformationen sprechen – wie schätzen Sie die Auswirkungen der rasch voranschreitenden digitalen Transformation auf das Banken- und Finanzwesen ein? Einigen Prognosen zufolge soll die digitale Transformation diese Branchen mit einer ähnlichen Wucht treffen, wie sie die Medien- und Entertainmentbranche erlebt hat. Was halten Sie von dieser Einschätzung?

<strong>Skinner:</strong> Die Transformation wird hier in jedem Fall andere Auswirkungen haben als in der Film- und Entertainmentbranche. Grund dafür ist, dass das Finanzwesen eine stark regulierte Branche ist. Zudem ist sie eng an die Regierung und die Wirtschaft gebunden. Das hat uns die Finanzkrise 2008 klar vor Augen geführt.

<blockquote>„Außerdem beschäftigen sich Banken nicht nur mit dem, was wir im Allgemeinen sehen: Kunden, Zahlungen im Einzelhandel und Einlagenkonten. Das Bankwesen umfasst vielmehr eine breite Palette von Bereichen, die recht komplex und sehr stark reguliert sind, da sie entscheidend für den Erfolg oder das Scheitern von Volkswirtschaften sind.“</blockquote>

https://youtu.be/po8KHX7xPZA

<h2>Der Aufstieg der Distributed-Ledger-Technologie</h2>

<strong>Appian: </strong> Welche Auswirkungen werden neue Technologien auf die verschiedenen Bereiche des Bankbetriebs haben und in welchem Maße betreffen sie auch Arbeitnehmer?

<strong>Skinner:</strong> Wie wir auch jetzt schon beobachten können, wird die Branche von neuen Technologien regelrecht auseinandergenommen. Wo Automatisierung eingesetzt werden kann, wird automatisiert. Folglich wird mindestens die Hälfte der weltweit bestehenden Arbeitsplätze im Bankwesen innerhalb der nächsten zehn Jahre wegfallen. Deren Arbeit wird dann vor allem durch Automatisierung und künstliche Intelligenz ersetzt.

<blockquote>„Die Distributed-Ledger-Technologie wird auch die Kosten im Bankwesen massiv reduzieren – etwa Blockchain und andere Services, die an Bedeutung gewinnen und Mehrkosten für Gebäude oder Mitarbeiter hinfällig machen. Künftig wird alles über Technologie abgewickelt.“</blockquote>

Wir werden Banking also auch künftig benötigen. Ein Zitat besagt, dass wir keine Banken, sondern Banking brauchen. Das stimmt so nicht. Für das Banking brauchen wir Banken. Hier geht es um regulierte Bereiche. Aber wir brauchen Banken nicht, um Zahlungen zu leisten. Wir brauchen Banken nicht, um einen Kredit aufzunehmen. Für solche Dinge werden wir in Zukunft andere Anbieter in Anspruch nehmen.

<h2>Digitale Transformation steigert Shareholder-Value</h2>

<strong>Appian:</strong> Erst vor Kurzem habe ich in der Financial Times gelesen, dass das Geschäftsmodell für digitales Banking im Grunde genommen sehr unsicher ist und generell überbewertet wird. Diese Meinung scheinen Sie nicht zu teilen.

<strong>Skinner:</strong> Über diese Aussage habe ich tatsächlich einen Blog-Eintrag verfasst. Ich glaube, dass der Artikel vielmehr darauf hinauswollte, dass die großen Banken, die weltweit Anführer der digitalen Transformation sind, bisher keine klare Verbindung zwischen digitaler Transformation und wachsendem Unternehmenswert aufzeigen konnten. Ihre Aktien und Marktkapitalisierung bewegen sich auf demselben Niveau wie die der Konkurrenten, die nicht auf digitale Transformation gesetzt haben.

<blockquote>„Bemerkenswert finde ich aber die Tatsache, dass eine dieser Großbanken mir mitgeteilt hat, dass sie eine klaren Zusammenhang zwischen digitaler Transformation, Banking-Services und Gesamt- sowie Eigenkapitalrentabilität nachweisen konnte. Der springende Punkt ist, dass eindeutig eine Verbindung zwischen digitaler Vorreiterrolle, Cost-Income-Ratio und Rentabilität von Großbanken besteht, die im Laufe der Zeit immer offensichtlicher werden wird.“</blockquote>

https://twitter.com/Chris_Skinner/status/981073097863376896

<h2>KI-System wickelt Millionen Transaktionen pro Sekunde ab</h2>

<strong>Appian:</strong> Wo wir bereits beim Thema der digitalen Transformation sind: Ein in der Debatte häufig auftauchender Begriff ist die „künstliche Intelligenz.“ Was glauben Sie? Welche Rolle wird künstliche Intelligenz in der Transformation der Finanzbranche – jetzt und in der Zukunft – einnehmen?

<strong>Skinner:</strong> Zurzeit wird künstliche Intelligenz (KI) in der Branche vor allem von Banken für die Risikoanalyse und Betrugsprävention eingesetzt. Dabei ist Ant Financial in China ein gutes Beispiel. Pro Sekunde verarbeitet das Unternehmen mithilfe von Mobile Wallets 120.000 Transaktionen, von relativ kleinen Beträgen. Jede einzelne Transaktion wird von seinem KI-System auf potenziellen Betrug überprüft. Zudem untersucht das System das mögliche Risiko, dass Personen mittels der Transaktionen illegale Zahlungen vornehmen.

Ant zielt darauf ab, innerhalb der nächsten Jahre bis zu 1 Million Transaktionen pro Sekunde verarbeiten zu können. Das sind mehr Transaktionen, als sie von Amex, Mastercard und Visa zusammengenommen durchgeführt werden. Aber auch in den USA habe ich einige interessante Anwendungsweisen gesehen.

<h2>Fragmentierte Daten, das große Hindernis für den Erfolg von KI</h2>

Dabei handelt es sich allerdings eher um sehr spezifische Nischenbereiche. So nutzt JP Morgan KI beispielsweise für Vertragserneuerungen mit seinen Großhandelskunden. Die vertragsrechtlichen Aspekte im Handels- und Investment-Banking sind unglaublich komplex. Allerdings handelt es sich bei einem Großteil um verwaltungsrechtliche Belange.

<blockquote>„JP Morgan konnte mit der Verarbeitung dieser Verträge über sein KI-System 360.000 Rechtsanwaltsstunden einsparen. Das muss man sich mal vorstellen. Die KI-Maschine erledigt in nur einer Sekunde die Arbeit, mit der Anwälte 360.000 Stunden beschäftigt waren.“</blockquote>

Bei UBS habe ich eine andere Anwendungsweise von KI gesehen, die mir gut gefallen hat. Wenn reiche Vermögensmanagement-Kunden dem Unternehmen in der Vergangenheit Anweisungen gaben, Änderungen an ihren Investitionen vorzunehmen, brauchte ein Mitarbeiter circa 45 Minuten, um den Auftrag durchzuführen. Jetzt haben Maschinen diese Arbeit übernommen. Der Prozess wurde automatisiert und ein Auftrag kann in Sekundenschnelle verarbeitet werden.

Künstliche Intelligenz kann folglich in einer Vielzahl von Bereichen eingesetzt werden. Allerdings wurde künstliche Intelligenz bisher noch nicht im persönlichen und beratenden Dienstleistungsumfeld des allgemeinen Verbrauchers verwendet. Das liegt daran, dass die riesigen Datenmengen der Banken fragmentiert in einer Vielzahl von verschiedenen Systemen vorliegen. Bis dieses Problem der Datenfragmentierung nicht gelöst ist, muss der Kundenservice weiterhin auf künstliche Intelligenz verzichten.

https://youtu.be/w8XpVPhrIAg

<h2>Interessante Trends: Blockchain und Mobile Wallet</h2>

<strong>Appian:</strong> Das erinnert an eine weitere Technologie, die zurzeit in aller Munde ist: Blockchain. Wie schätzen Sie den Hype um die virtuelle Währung ein? Glauben Sie, dass der Trend auch in der Welt der traditionellen Banken Fuß fassen wird?

<strong>Skinner:</strong> Nicht nur Blockchain ist ein großer Trend, wir dürfen Mobile Wallets nicht vergessen. Die sollten wir auf jeden Fall im Blick behalten. Was uns diese Trends aufzeigen, ist, dass es bequemere, günstigere und einfacherer Wege gibt, wie Menschen Zahlungen vornehmen können.

Dabei bewegt sich der Wert solcher Transaktionen von 50 Cent bis hin zu 50 Millionen Dollar. Die anfallenden Kosten sind immer die gleichen, da alle Transaktionen auf denselben Technologie-Plattformen verarbeitet werden.

Besonders größere Transaktionen profitieren von Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologien. Das Interessante ist ja, dass ich bereits seit sechs Jahren immer wieder über den Bitcoin gesprochen habe. Banker gehen jedoch immer davon aus, dass der Bitcoin schlecht ist (da er auch von Kriminellen verwendet wird) und dass Blockchain gut ist (da wir es tatsächlich sehen und damit Geld sparen können).

<h2>Blockchain auf dem Weg zum Mainstream</h2>

<strong>Appian:</strong> Was glauben Sie – hat Blockchain das Potenzial, bald schon zum Mainstream zu werden?

<strong>Skinner:</strong> Die Australische Wertpapierbörse wird ab 2018 digitale Währungen einführen. Dabei wird sie für Clearings und Settlements auf den Dienst der Distributed-Ledger-Technologie vertrauen. Blockchain ist also auf dem besten Wege, zum Mainstream zu werden. Und es gibt viele weitere „Mainstream-Beispiele“, die ich hier aufführen könnte.

<blockquote>„Tatsächlich erleben wir mit den enormen Bitcoin-Preiseskalationen in diesem Jahr den Anfang des Höhenflugs von Kryptowährungen. Ripple, Litecoin – das sind die neuen Renner. Alle Banking-Leute bezeichnen diese Entwicklung als Blase. Ich glaube aber, dass sie 2018 fragen werden, wie sie Banking mit Bitcoins betreiben können. Behalten Sie diesen Trend also im Auge.“</blockquote>

<strong>Appian: </strong>Kommen wir zu einem anderen Thema: Daten und deren Bedeutung für Finanzdienstleistungen und Banking. Warum bewerten Sie Daten als entscheidenden Erfolgsfaktor für die Bankenbranche, wenn es um den Gewinn von Neukunden und das Halten von Bestandskunden geht?

<h2>Daten: das Lebenselixier im Finanzsystem</h2>

<strong>Skinner:</strong> Wir reden im Finanzsektor schon seit Jahrzehnten darüber, wie wichtig Daten sind.

<blockquote>„Genau wie bei Bitcoin und Kryptowährungen sind Daten überall dort präsent, wo Reichtümer vorhanden sind. Demzufolge werden in Zukunft Banken überleben, denen es gelingt, Ordnung in das enorme Chaos ihrer Daten zu bringen. Banken, denen dies nicht gelingt, werden sehr schnell das Nachsehen haben und aufgekauft oder zusammengeschlossen werden.“</blockquote>

Daten sind der neue Sauerstoff des Finanzsystems. Sie sind die Luft, die das System atmet. Verfügt ein Unternehmen nicht über eine Datenarchitektur, die ausgewertet werden und für maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz eingesetzt werden kann, wird es nicht lange überleben. Um bei unserer Metapher zu bleiben: Die Organisation erstickt, da ihr schlichtweg der notwendige Sauerstoff fehlt.

<strong>Appian:</strong> Das heißt, dass Banken, die Datenanalysen einsetzen und maschinelles Lernen für die Wertschöpfung im Kundenerlebnis verwenden, überleben werden. Und jene, die das nicht tun, werden von der Bildoberfläche verschwinden.

<h2>43 % der US-Großbanken nutzen COBOL</h2>

<strong>Skinner:</strong>

<blockquote>„Ja, so ist es. Die meisten Banken haben in ihren Backoffices noch keine Ordnung geschaffen. Jahrelang nahm man dort die weitere Verwendung veralteter Technologien hin. Ist es nicht unglaublich, dass statistisch betrachtet 43 % der größten US-Banken in den Hauptsystemen ihrer Backoffices die prädigitale Programmiersprache COBOL verwenden? Ich sage nicht, dass COBOL an sich schrecklich ist, aber es ist überholt.“</blockquote>

<strong>Appian:</strong> Was steht den großen Banken denn eigentlich im Weg? Warum führen sie keine Aktualisierung ihrer Systeme durch und implementieren moderne Technologien, um aus den veralteten Strukturen ihrer Legacy-Systeme herauszukommen? Liegt es an ihrer Einstellung? An einem gewissen Zynismus gegenüber digitalen Technologien?

<strong>Skinner:</strong> Es liegt am Führungsteam. Die Führungsgremien der meisten Banken setzen sich aus Bankern zusammen – Personen, die auf Karrieren im Management von Compliance-Risiken und Regulierungen zurückblicken. Diese Personen machen nur ungern Ausgaben, noch weniger gerne gehen sie Risiken ein. Eine Erneuerung der Backoffice-Systeme bedeutet jedoch genau das: hohe Ausgaben im Rahmen eines höchst risikoreichen Vorgehens. Deshalb wurde eine solche Erneuerung seit bereits mindestens 40  Jahren immer wieder aufgeschoben. Aus diesem Grund sind die Systeme absolut veraltet.

<h2>Über 90 % der Führungskräfte auf Vorstandsebene haben keinerlei Technologie-Erfahrung</h2>

<blockquote>„In den Führungsteams der meisten großen Finanzinstitutionen findet sich auf Vorstandsebene nicht ein einziges Mitglied mit technologischem Background. Ich habe Analysen gesehen, aus denen hervorgeht, dass aktuell 94 % der Personen in diesen Führungsteams technologisch nicht versiert sind.“</blockquote>

Die Frage, die sich nun stellt, ist folgende: Wie sollen diese Führungsteams eine Bank im Zeitalter der digitalen Transformation auf den neuesten Stand bringen, wenn sie nicht einmal genau wissen, was die digitale Transformation ist?

<strong>Appian:</strong> Für Sie liegt das größte Problem also bei dem fehlenden Technologie-Fachwissen der führenden Senior-Banker?

<strong>Skinner:</strong> Absolut. Das ist das größte – und leider grundlegende – Manko der Branche.

<strong>Appian:</strong> Wir wollen noch über einen weiteren, interessanten Gedanken sprechen, den ich einem Ihrer Blog-Einträge entnehmen konnte: Der Begriff der sogenannten „Smart Contracts“, der „intelligenten Verträge.“ Sie haben geschrieben, dass Smart Contracts die Funktionsweise von Bankkonten revolutionieren könnten – und zwar bereits innerhalb der nächsten 10 – 20 Jahre. Könnten Sie uns diesen Gedanken näher erläutern?

https://youtu.be/_t01Nkl5QoU

<h2>Transparenz und Vertrauen in der digitalen Welt</h2>

<strong>Skinner:</strong>

<blockquote>„Smart Contracts beziehen sich auf Ethereum, eine der existierenden Plattformen mit Kryptowährung und Blockchain. Aber es handelt sich um die beliebteste Plattform. Das liegt hauptsächlich daran, dass Ethereum bei Transaktionen im Vergleich zu anderen Kryptowährungen ein höheres Maß an Vertrauen bietet.“</blockquote>

Sie nehmen also die zentralisierten Bankenstrukturen und dezentralisieren Sie mittels Smart Contracts in ein vertrauenswürdiges, geteiltes Datenbank-Netzwerk. Dieser Ansatz kann auch über die Bankenwelt hinaus eingesetzt werden, beispielsweise bei der Arbeit gemeinnütziger Organisationen. Wann immer man an eine solche Organisation spendet, stellt man sich unweigerlich die Frage, ob das Geld wirklich dort ankommt, wo es ankommen sollte. Verwendet man Smart Contracts, wird das ganze System transparenter. Aus diesem Grund können wir auch jetzt schon mit ansehen, wie Smart Contracts immer wichtiger werden.

Nehmen wir das Versicherungswesen: Wenn Sie ein Kunstwerk oder einen Diamanten kaufen – wie können Sie sichergehen, dass es sich tatsächlich um einen echten Diamanten und nicht etwa einen falschen oder einen Blutdiamanten handelt? Wie stellen Sie sicher, dass das Kunstwerk wirklich von dem Künstler stammt, der es angeblich geschaffen hat? All diese Datensätze werden digitalisiert und in Smart Contracts und Distributed-Ledgers aufbewahrt. Dieser Trend wird die Welt, wie wir sie kennen, von Grund auf verändern.

<blockquote>„Der Punkt ist, dass wir den enormen personaltechnischen Mehraufwand nicht mehr benötigen, um solche Dinge zu authentifizieren und zu registrieren und anschließend Papierdokumente in der Hand zu halten, die sich leicht manipulieren lassen. Stattdessen wird all dies in einer vertrauenswürdigen Datenbank digitalisiert werden, die alle gemeinsam nutzen.“</blockquote>

<h2>Drei Trends, die Sie 2018 im Blick behalten sollten</h2>

<strong>Appian:</strong> Wie Sie wissen, gibt es aktuell einen riesigen Hype im Kryptowährungen, Blockchain und KI. Welche digitalen Trends werden Ihrer Meinung nach die Branche Banking und Finanzdienstleistungen 2018 und darüber hinaus besonders beeinflussen?

<strong>Skinner:</strong> Einige dieser Trends haben wir ja bereits angesprochen. Mich interessieren vor allem KI und maschinelles Lernen, Robotic Process Automation, der Distributed-Ledger-Einsatz zur Kostensenkung und die zunehmende Verwendung von Biometrik.

<blockquote>„Aber ich glaube, es gibt für 2018 drei Hauptthemen, die ich aufgreife. Zunächst machen sich Banken wirklich an die Aufgabe, mit KI effizienter zu werden. Denn bei vielen Banken ist einer von drei Mitarbeitern einzig damit beschäftigt, die beiden anderen zu kontrollieren. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Citigroup, wo 40.000 Personen im Bereich Compliance tätig sind. Es ist doch sinnvoller, KI und maschinelles Lernen zu nutzen, um Regulierungsbestimmungen zu integrieren und Compliance in Echtzeit zu überwachen.“</blockquote>

Das Problem besteht darin, dass unser System zu viel Geldwäsche passieren lässt, da alles in Papierform, nicht digital nachverfolgt wird.

<h2>Weckruf für Regulierungsbehörden</h2>

Das zweite wichtige Thema ist die Rationalisierung und Säuberung dieser enormen Menge an Legacy-Datenstrukturen, von denen wir alle wissen, wie ineffizient sie sind. Es ist an der Zeit, Pläne für die Erstellung einer Plattform mit Unternehmensdaten zu entwickeln. Der Einsatz solcher Plattformen vor dem nächsten Jahrzehnt ist bereits verpflichtend, und bis zu diesem Zeitpunkt sind bislang schon zwei Jahre verstrichen.

In dieser Hinsicht läuft die Zeit, und die diesbezüglichen Alarmsignale sind wirklich nicht mehr zu überhören.

Und der dritte Punkt ist das, was ich als den Aufstieg offener Sourcing- und Finanzstrukturen bezeichne, wo Front-, Middle- und Backoffice auf offene APIS und Analytik umsteigen. Tatsächlich sind es die regulatorischen Strukturen, die diesen Bereich vorantreiben.

<blockquote>„Endlich haben auch Regulierungsbehörden die Tatsache erkannt, dass Technologie das Bankwesen transformieren kann. Und nun beginnen sie mit der Einführung von gesetzlichen Vorgaben, laut denen Banken künftig offene APIs, offenes Banking und Open-Source-Strukturen verwenden, Partnerschaften eingehen und gemeinsam gestalten müssen.“</blockquote>

Das finde ich großartig, denn wenn Regulierungsbehörden einem etwas vorschreiben, setzt man das auch um.

Dieses Interview ist Teil unserer laufenden Interviewreihe Digital Trailblazers. Seien Sie dabei, wenn wir mit Innovatoren und großen Denkern über die ganze Bandbreite an Themen der digitalen Transformation sprechen.Klicken Sie auf den folgenden Banner, um die komplette Reihe zu lesen.

<a href="https://lb.appian.com/l/transformers-almanac-2018?utm_source=blog&amp;utm_medium=banner&amp;utm_campaign=digital-transformation&amp;utm_content=lookbook-transformers-almanac"><img alt="Die digitalen Prognosen 2018" class="aligncenter wp-image-30796 size-full" height="225" src="https://assets.appian.com/uploads/assets/sites/4/2017/11/blog-transform-almanac.jpg" width="710"/></a>