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Intelligente Automatisierung: Wird Sie uns die Arbeit wegnehmen oder abnehmen? (Teil 1 von 2)

Roland Alston, Appian
February 26, 2018

Morgan Frank, Forscher am MIT Media Lab und Co-Autor des Buchs Ñ
Small Cities Face Greater Impact from Automation"

(Dieses Interview mit dem MIT Media Lab Forscher Morgan Frank wurde schon im Dezember 2018 verˆffentlicht. Es war einer unserer beliebtesten Beitr‰ge. Also haben wir beschlossen, es zu aktualisieren und in Fortsetzungen zu verˆffentlichen. Viel Spafl mit dem Remix!)

Kleinst‰dte (mit unter 100.000 Einwohnern) werden von der Explosion der intelligenten Automatisierung und anderer disruptiver Trends am h‰rtesten getroffen werden. Das sagt MIT-Forscher Morgan Frank (@mrfrank5790), Co-Autor einer bahnbrechenden Studie namens ÑSmall Cities Face Greater Impact From Automation". Scheinbar haben Kleinst‰dte unverh‰ltnism‰flig viele Stellen im Routine-Servicebereich wie Kassierer und Nahrungsmitteldienstleister, die in Konkurrenz zur Automatisierung stehen.

Die gute Nachricht ist, dass die Etablierung der intelligenten Automatisierung Vorteile f¸r alle bringen wird. Allerdings muss sie so umgesetzt werden, dass niemand zur¸ckbleibt. Frank erinnert uns an die schwierige Prognose dessen, wie Technologie die Arbeit beeinflussen wird. Er sagt, wir sollten uns stattdessen darauf konzentrieren, wie unsere Arbeitskr‰fte widerstandsf‰higer gegen disruptive Trends werden kˆnnen. Es stellt sich heraus, dass die Umschulung gef‰hrdeter Mitarbeiter einen wichtigen Teil dazu beitr‰gt.

Sie kˆnnen nachrechnen: Bis 2030 kˆnnten bis zu 375 Millionen Erwerbst‰tige ñ knapp 14% aller Besch‰ftigten weltweit ñ ihre Berufsgruppe wechseln m¸ssen, da Digitalisierung, Automatisierung und Fortschritte in der k¸nstlichen Intelligenz die Arbeitswelt ver‰ndern, sagt der McKinsey Global Institute Bericht Jobs lost, jobs gained: Workforce transitions in a time of automation. Laut der Studie werden sich die von Unternehmen nachgefragten F‰higkeiten ver‰ndern, was grofle Auswirkungen auf die Karrieren der Erwerbst‰tigen haben wird.

ÑWenn wir uns die Umschulungsprogramme ansehen, die politische Entscheidungstr‰ger in St‰dten planen", sagte Frank in einem k¸rzlichen Interview mit der Federal Reserve Boston, Ñkommt einem das oft etwas naiv vor. Zum Beispiel sehen wir, dass die Nachfrage f¸r Softwareentwickler steigt und die Nachfrage f¸r Taxifahrer sinkt. Also denken wir uns, nehmen wir die Fahrer und bringen wir ihnen das Programmieren bei, dann wird alles gut.

Aber wir stellen fest, dass diese Strategie auf lange Sicht nicht wirklich funktioniert. Denn selbst wenn wir Taxifahrern das Programmieren beibringen, erlernen sie noch lange nicht die zus‰tzlichen F‰higkeiten, die man als Softwareentwickler braucht, um Programmierkenntnisse zu nutzen. Wenn wir eine bessere Darstellung der F‰higkeiten bieten kˆnnen, die f¸r kommende Jobchancen benˆtigt werden, kˆnnen wir vielleicht, und nur vielleicht, Erwerbst‰tige besser dabei unterst¸tzen, im Zeitalter der digitalen Transformation zu ¸berleben und aufzubl¸hen. In diesem Remix eines alten Digital Masters Interviews hat uns Frank eine Menge Wissen zu folgenden Themen um die Ohren gehauen:

    • Warum Arbeitnehmer in grˆfleren St‰dten die Auswirkungen neuer Technologien weniger zu sp¸ren bekommen werden

    • Bei welchen Jobs die Wahrscheinlichkeit am geringsten ist, dass sie durch Technologie ersetzt werden

    • Konkurrierende und erweiternde Technologie und wie sich diese auf die Erwerbst‰tigen auswirkt

    • Berufspolarisierung: Was ist das? Und warum ist es wichtig?

    • Warum die intelligente Automatisierung uns zum ‹berdenken gewohnter Arbeitsweisen zwingt

Wir w¸nschen Ihnen viel Freude beim Lesen.

Appian:Erz‰hlen Sie doch bitte zuerst etwas mehr ¸ber sich und die Forschungen, die Sie im Media Lab des MIT durchf¸hren.

Frank: Gerne. Ich habe einen Hintergrund in Informatik, Statistik und angewandter Mathematik. Mein Schwerpunkt liegt auf dem Gebiet Computational Social Science, also computergest¸tzte Sozialwissenschaft, in der menschliches Verhalten und gesellschaftliche Ph‰nomene mithilfe von Daten und Mathematik untersucht werden. Ich habe vor allem die Auswirkungen von Automatisierung auf die Arbeitswelt in den USA untersucht, insbesondere, wie Automatisierung sich auf St‰dte auswirkt.

ÑIm Media Lab des MIT konzentrieren wir uns darauf, die Beziehungen zwischen Berufen, F‰higkeiten und Technologie detailliert aufzuschl¸sseln. Anschlieflend untersuchen wir, welche Berufe von den neuen Technologien profitieren werden und welche in direkter Konkurrenz dazu stehen und unter Umst‰nden dadurch bedroht werden."

https://twitter.com/mrfrank5790/status/1199027063124037632

Appian: In einigen Kreisen wird das Thema Robotertechnik und Automatisierung ñ und deren Auswirkungen auf die zuk¸nftige Arbeit ñ mit grofler Angst betrachtet. Kritiker warnen regelrecht vor den kommenden zerstˆrerischen Auswirkungen von maschinellem Lernen, Algorithmen, Chatbots, Spracherkennung und intelligenter Automatisierung. Was halten Sie von dieser pessimistischen Sicht?

Frank: Wenn ich unsere Forschungen beim MIT betrachte, glaube ich, dass der Automatisierungstrend l‰ngst nicht so alarmierend ist, zumindest, was derzeit verf¸gbare und geplante Technologien angeht.Aber es gibt zweifellos bestimmte Berufe und Branchen, die sich durchaus Sorgen ¸ber die Automatisierung machen sollten.

Appian: Kˆnnen Sie uns einige Beispiele nennen?

Frank: Ja. Nehmen wir als Beispiel LKW-Fahrer. Sie stehen in direkter Konkurrenz zu autonomen Fahrzeugen, denn diese Technologie ist vermutlich nicht dazu ausgelegt, den Fahrer zu unterst¸tzen, sondern zu ersetzen.

ÑAber was die derzeitigen Gespr‰che ¸ber Automatisierung von den fr¸heren Gespr‰chen zu diesem Thema unterscheidet, ist das Thema k¸nstliche Intelligenz, also Trends wie maschinelles Lernen und digitale Assistenten. Denn diese Technologien werden als Erg‰nzung f¸r hochqualifizierte Menschen eingesetzt."

Appian: Kˆnnten Sie das n‰her erl‰utern?

Frank: Maschinelles Lernen zum Beispiel unterst¸tzt Programmierer dabei, Daten effizienter auszuwerten. K¸nstliche Intelligenz ist also keine Konkurrenz. Computerprogrammierer verlieren ihre Jobs nicht, nur weil es maschinelles Lernen gibt. (Im Gegensatz) stellen selbstfahrende Fahrzeuge f¸r LKW-Fahrer eine ernsthafte Konkurrenz dar. Es gibt also einerseits Computerprogrammierer, die von Technologien profitieren, und dann gibt es LKW-Fahrer.

https://twitter.com/mrfrank5790/status/1203845536383688704

Appian: Schlagen wir nun also den Bogen zur¸ck zu Ihrer Studie ¸ber die Auswirkungen der Automatisierung auf st‰dtische Gebiete im Vergleich zu l‰ndlichen Gebieten. Eine der wichtigsten Erkenntnisse Ihrer Studie ist, dass einige kleine St‰dte von k¸nstlicher Intelligenz und Automatisierung profitieren werden, da sie in der N‰he von wichtigen Institutionen liegen, die Facharbeiter einstellen, darunter milit‰rische St¸tzpunkte, grofle Universit‰ten und Forschungslabore von Unternehmen.

Welche geographischen Gebiete werden Ihrer Meinung nach den grˆflten Nutzen durch Automatisierung haben?

Frank:

ÑBei KI-bezogenen und kognitiven Technologien beobachten wir einen hˆheren Nutzen in grˆfleren St‰dten an der Ostk¸ste, wo diese als Erweiterung f¸r hochqualifizierte Arbeit in der Technologie- und Finanzbranche eingesetzt werden, wo viele hochqualifizierte Wissensarbeiter t‰tig sind."

Das Gleiche erleben wir im Silicon Valley, in Los Angeles, in Portland und in Seattle."

Appian: Also gehen Sie insgesamt davon aus, dass Automatisierung mehr Jobs schaffen als ersetzen wird?

Frank: Das ist eine komplizierte Frage, die sich nicht so leicht beantworten l‰sst. Jemand, der diese Trends ernsthaft untersucht, kann nur schwer eine zuverl‰ssige Prognose treffen. Man kann es so sehen, dass neue Technologien definitiv Jobs schaffen. Aber es ist eben schwer, das vorherzusagen. Der fr¸here Pr‰sident von IBM, Thomas Watson, hat 1943 gesagt: ÑIch denke, dass es einen Weltmarkt f¸r vielleicht f¸nf Computer gibt." Und heute hat jeder einen Computer in seiner Tasche oder in seinem Rucksack. Wenn ich vorhersagen kˆnnte, welche Besch‰ftigungsmˆglichkeiten in Zukunft durch neue Technologien geschaffen werden, w¸rde ich keine Forschungsberichte schreiben [lacht], ich w¸rde ein Unternehmen gr¸nden.

Appian: Sie haben auch gesagt, eine der grˆflten Auswirkungen der Automatisierung sei es, dass sie Arbeit neu definiert. Was meinen Sie damit?

https://twitter.com/medialab/status/961668580919201793

Frank: Damit meine ich, dass sich durch Technologie oft die Qualifikationen f¸r bestimmte Berufe ‰ndern. Und das kann sich im Laufe der Zeit immer wieder ‰ndern, um der Nachfrage nach einzelnen Aufgaben und Kompetenzen gerecht zu werden. Denken Sie nur mal an den Roboterarm am Flieflband. Dieser Arm wurde f¸r die Verrichtung einer ganz bestimmten Aufgabe konzipiert.Und wenn Sie ¸ber maschinelles Lernen sprechen, gibt es Algorithmen f¸r maschinelles Lernen, die entwickelt wurden, um eine bestimmte Art von Problemen zu lˆsen. Der Anwendungsbereich f¸r einen Algorithmus ist also ziemlich eng gesteckt.

ÑAutomatisiert werden vor allem bestimmte Aufgaben und F‰higkeiten. Und die sich ‰ndernde Nachfrage nach Mitarbeitern, die diese Aufgaben durchf¸hren kˆnnen, wird tendenziell als Bedrohung von Arbeitspl‰tzen und Lˆhnen gesehen."

(Freuen Sie sich auf den letzten Teil dieses zweiteiligen Interviews zum Aufstieg der intelligenten Automatisierung mit MIT Media Lab Forscher Morgan Frank.)